Am Montag, dem 29.06.2020 wurde im Deutschen Bundestag und im Bundesrat das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise beschlossen. 

Aus den Gesprächen der letzten Wochen sind sehr viele Fragen bei mir angekommen. Deshalb habe ich Ihnen die wesentlichen Punkte zusammengefasst und bin auf die Fragen zur Umsatzsteuersenkung eingegangen.

Kernpunkt des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes sind folgende Maßnahmen:

  • Die Umsatzsteuersätze werden befristet vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 von 19% auf 16% und von 7% auf 5% gesenkt.
  • Die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer wird auf den 26. des zweiten auf die Einfuhr folgenden Monats verschoben.
  • Für jedes im Jahr 2020 kindergeldberechtigte Kind wird ein Kinderbonus von 300 Euro gewährt (bei Inanspruchnahme des Kinderfreibetrages ist dieses im Rahmen der Einkommensteuererklärung wieder zurück zu zahlen).
  • Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird befristet auf zwei Jahre von derzeit 1.908,- Euro auf 4.008,- Euro für die Jahre 2020 und 2021 angehoben.
  • Der steuerliche Verlustrücktrag wird für die Jahre 2020 und 2021 auf 5 Mio. Euro, bzw. 10 Mio. Euro (bei Zusammenveranlagung) erweitert sowie ein Mechanismus eingeführt, um den Verlustrücktrag für 2020 unmittelbar finanzwirksam mit der Steuererklärung 2019 nutzbar zu machen. Sollte im Jahr 2020 ein zu erwartender Verlust vorhanden sein, so können schon jetzt entsprechende Anträge auf Verlustrücktrag gestellt werden, um so die Steuerzahlungen 2019 wieder zurück zu holen.
  • Einführung einer degressiven Abschreibung in Höhe von 25%, höchstens das 2,5fache der linearen Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt werden.
  • Bei der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen, die keine Kohlendioxidemission ja gefahrenen Kilometer haben (reine Elektrofahrzeuge und reine Wasserstofffahrzeuge), wird der Höchstbetrag des Bruttolistenpreises von 40.000,- Euro auf 60.000,- Euro erhöht. Für diese Fahrzeuge wird die private Nutzung mit 0,25% des Bruttolistenpreises pro Monat berechnet.
  • Vorübergehende Verlängerung der Reinvestitionsfristen des § 6b EStG um ein Jahr.
  • Verlängerung der in 2020 endenden Fristen für die Verwendung von Investitionsabszugsbeträgen nach § 7g EStG um ein Jahr.
  • Die Anrechnung des Gewerbesteuermessbetrages wird auf 4,0 erhöht, das bedeutet, dass künftig mehr Gewerbesteuer (bis zu einem Hebesatz von ca. 425%) von der Einkommensteuer abgezogen werden kann.
  • Bei der Gewerbesteuer wird der Freibetrag für die Hinzurechnungstatbestände des § 8 Nr. 1 GewStG (also z.B. Mieten und Pachten, langfristige Zinsen etc.) auf 200.000,- erhöht.
  • Die Bemessungsgrundlage für die neue Forschungszulage wird auf 4 Mio. Euro angehoben. Die Forschungszulage wurde ab 2020 neu eingeführt.
  • Strafrechtliche Verjährungsfristen werden aufgrund der cum-Ex Fälle für schwere Steuerhinterziehung erhöht.

Aus den Gesprächen der letzten Wochen, seit Bekanntwerden der Senkung der Umsatzsteuer sind sehr viele Fragen bei mir angekommen. Deshalb möchte ich gerne auf diesen Punkt nachfolgend gesondert und umfassend eingehen.
 
Senkung der Umsatzsteuersätze ab dem 01.07.2020
 
Mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) werden nun die Umsatzsteuersätze im Zeitraum vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 von 19% auf 16% und von 7% auf 5% gesenkt. Ein begleitendes Anwendungsschreiben des Bundesfinanzministeriums mit Erläuterung zahlreicher Einzelfälle kann auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums heruntergeladen werden, unter:

www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Steuerarten/Umsatzsteuer/2020-06-30-befristete-Senkung-umsatzsteuer-juli-2020-final.html;jsessionid=04F2C4EC8E3BD0464D8C422C42A45A5B.delivery2-replication

Der Umstellungsbedarf ist leider zum Teil erheblich und wird sicherlich im Fokus zukünftiger Umsatzsteuer-Sonderprüfungen und Betriebsprüfungen stehen. Generell macht die befristete Senkung der Umsatzsteuersätze innerhalb der Unternehmen umfassende Prüfungs- und Abgrenzungsarbeiten erforderlich. Insbesondere bei komplexeren und/oder hochvolumigen Sachverhalten sollte hinsichtlich der Frage, wann der Umsatz ausgeführt worden ist, eine entsprechende Dokumentation vorgehalten werden. Auch sollten die Mitarbeiter entsprechend geschult werden. 
 
Anwendung der neuen Umsatzsteuersätze
 
Maßgeblich für die Anwendung der verminderten Steuersätze (16% und 5%) ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Bei Lieferung ist dies der Zeitpunkt der Lieferung, bei sonstigen Leistungen der Abnahmezeitpunkt. Keine Bedeutung haben Vertragsschluss, Zahlung, Vereinnahmung des Entgeltes oder die Rechnungsstellung. Die Steuersatzänderung gilt für alle Umsätze also auch innergemeinschaftliche Erwerbe, Einfuhrumsatzsteuer oder das Reverse-Charge-Verfahren. 
 
Fällt der Zeitpunkt der Leistungserbringung in den Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020, ist also zwingend mit 16% bzw. 5% zu fakturieren. Da diesbezüglich Fehler vorprogrammiert erscheinen, wurde aktuell noch eine Nichtbeanstandungsregel für den B2B-Bereich für den ersten Monat der Neuregelung, also für den Juli 2020 beschlossen. So kann z. B. die Anwendung eines zu hohen Steuersatzes als unbeachtlich eingestuft und der Vorsteuerabzug nicht beanstandet werden, wenn der Leistende die Umsatzsteuer abgeführt hat. 

Beispiel 1:
Ein Kfz oder eine Maschine wird im Juni bestellt und im Juli an den Kunden geliefert. Lieferung ist im Juli, so dass der geminderte Mehrwertsteuersatz von 16% anzuwenden ist.
 
Beispiel 2:
Eine Leistung ist im Juni abgeschlossen (z.B. Erstellung der monatlichen Buchführung), die Rechnungsstellung erfolgt im Juli. Es ist der Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19% anzusetzen.
 
Abschlags- und Schlussrechnungen
 
Bei Abschlagszahlungen ist der Umsatzsteuersatz maßgebend, der zum Zeitpunkt des Zahlungseingangs gilt. Wenn im Zeitraum der Lieferung bzw. bei Abnahme der sonstigen Leistung der verminderte Steuersatz gilt, fällt auf die gesamte Leistung der verminderte Steuersatz an (Schlussrechnung). Die bereits zuvor vereinnahmten Abschlagszahlungen müssen berichtigt werden.

Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten:
 
1. Ausweis des verminderten Steuersatzes auf den Gesamtrechnungsbetrag (Schlussrechnung).
Es wird der Gesamtnettobetrag für die gesamte Leistung zzgl. 16% Umsatzsteuer ausgewiesen. Die vereinnahmten (also nur die bereits erhaltenen Beträge) werden netto zzgl. 19% abgezogen. In dem zu zahlenden Betrag ist daher die Korrektur des Steuersatzes aus den Abschlagsrechnungen von 19% auf 16% enthalten. 
 
2. Berichtigung des Steuerbetrages in der Restrechnung. Es wird lediglich über den noch zu zahlenden Betrag fakturiert zzgl. 16% Umsatzsteuer. Darunter werden die Differenzen aus den Umsatzsteuersätzen 19% und 16% der erhaltenen Abschlägen ausgewiesen, sodass sich dann ein Zahlungsbetrag ergibt der ebenfalls die Korrektur der Steuersätze aus den Abschlagsrechnungen berücksichtigt. Die Berichtigung wird sowohl für den Leistenden als auch für den Leistungsempfänger in dem Voranmeldungszeitraum der Schlussrechnung vorgenommen.
 
Beispiel 3:
Mit einer Bauleistung wurde bereits im Februar begonnen, das Bauwerk ist aber erst im August fertig gestellt. In der Zwischenzeit wurden seitens der Baufirma Abschlagszahlungen erstellt (mit 19%). Das fertige Bauwerk wird aber immer erst mit Endabnahme an den Kunden übergeben, so dass die gesamte Leistung in unserem Beispiel mit 16% abzurechnen ist. Hier ist eine Schlussrechnung im August zu erstellen (mit Ansatz des Mehrwertsteuersatzes in Höhe von 16%), mit Gutschrift der jeweiligen Abschlagszahlungen aus den Vormonaten (die Gutschrift erfolgt mit 19%).
 
Wenn bereits vorher klar ist, dass die Leistung zu einem Zeitpunkt erbracht wird, an dem ein anderer Steuersatz gilt, kann die Anzahlungsrechnung aber auch schon mit dem anderen Steuersatz ausgestellt werden:

Beispiel 4:
a) Anzahlung bis 30.06.2020 und Leistung bis 31.12.2020 = Anzahlungsrechnung mit 16% bzw, 5%
 
b) Anzahlung 01.07.2020 bis 31.12.2020 Leistung ab 01.01.2021  = Anzahlungsrechnung mit 19% bzw. 7%

Besonderheiten bei der Ist-Besteuerung
 
Im Gegensatz zur Sollbesteuerung (Normalfall) kommt es bei der Istbersteuerung erst im Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts zur Abführung der Umsatzsteuer und nicht schon im Leistungszeitpunkt. Maßgeblich für den Steuersatz ist aber auch hier der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Wird z.B. eine Lieferung am 25.06.2020 ausgeführt, so ist die Rechnung am 03.07.2020 mit 19% auszustellen, und ist bei Zahlungseingang im August 2020 19% Umsatzsteuer abzuführen. 
 
Erteilung von Vorausrechnungen
 
Um Vorausrechnungen handelt es sich, wenn über den gesamten Rechnungsbetrag vor Leistungsausführung abgerechnet wird. Steht der Leistungszeitpunkt bereits fest, sollte die Vorausrechnung den Steuersatz des Leistungszeitpunktes enthalten. Andernfalls ist eine Berichtigung der Rechnung erforderlich. 
 
Teilleistungen
 
Teilleistungen sind vor allem in der Baubranche anzutreffen. Sie sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, für die das Entgelt gesondert vereinbart und abgerechnet wird. Auch bei den Teilleistungen gilt für die Anwendung des Steuersatzes der Zeitpunkt der Ausführung der Leistung, wobei der Zeitpunkt der Abnahme der Teilleistung das entscheidende Kriterium ist. 
 
Beispiel 5:
Ein Maler wird beauftragt, Wohneinheiten in einem Gebäudekomplex zu streichen. Vereinbart wird, dass jede Wohneinheit gesondert abgerechnet und abgenommen wird. Es handelt sich um Teilleistungen. Die Abnahme der ersten Wohneinheit erfolgt am 30.06.2020; diese Teilleistung ist mit 19% abzurechnen. Die zweite Wohneinheit wird am 27.07.2020 fertiggestellt; diese zweite Teilleistung ist mit 16% zu fakturieren.
 
Dauerschuldverhältnisse /Dauerleistungen
 
Dauerleistungen sind für einen bestimmten Zeitraum vereinbart. Dauerleistungen in Form von Dienstleistungen gelten am Tag der Beendigung des Leistungszeitraums als erbracht.
 
Ein Mitgliedsbeitrag oder ein Wartungsvertrag für den Zeitraum 01.01.2020 bis 31.12.2020 wird damit am 31.12.2020 erbracht, es gilt ein Umsatzsteuersatz von 16%. Vorausrechnungen sind ggf. zu berichtigen.
 
Bei kürzeren Abrechnungsperioden ist von Teilleistungen auszugehen. Dies betrifft zum Beispiel monatliche Mietzahlungen. Für die sechs Teilleistungen Juli bis Dezember 2020 sind 16% Umsatzsteuer zu berechnen. Mietverträge mit Option zur Umsatzsteuer sind durch entsprechend geänderte Dauerrechnungen für diesen Zeitraum anzupassen.
 
Beispiel 6:
Bei einem monatlichen Leasingvertrag oder monatlichen Mietvertrag sind die Leistungen aufzuteilen. Leasingraten oder Mietzahlungen bis Juni sind mit 19% zu verrechnen, ab Juli bis Dezember gilt der verminderte Umsatzsteuersatz in Höhe von 16%.

Nachträgliche Preisanpassungen, Skonti, Boni, Rabatte
 
Nachträgliche Preisanpassungen sind mit dem Steuersatz der ursprünglichen Leistung zu berücksichtigen. Die Änderung der Umsatzsteuer bzw. Vorsteuer tritt hierbei im Voranmeldungszeitraum der Erstattung/Rückzahlung ein.
Zur Vereinfachung kann ein Jahresbonus oder Jahresrückvergütung für das gesamte Kalenderjahr 2020 zu 50% (Januar bis Juni) mit 7% bzw. 19% und zu 50% (Juli bis Dezember) mit 5% bzw. 16% berücksichtigt werden, unabhängig davon, wann die zugrundeliegenden Umsätze ausgeführt wurden.
 
Leasingsonderzahlungen
 
Leasingsonderzahlungen gelten als Anzahlungen auf alle Raten. Die anteilige Sonderzahlung, die auf den Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 entfällt, unterliegt daher einem Steuersatz von 16%. Es ist daher eine Berichtigung durch eine geänderte Dauerrechnung nötig.
 
Praktische Umsetzung/Änderung in der EDV
 
Bitte veranlassen Sie die Anpassung Ihrer Kassensysteme. Preisauszeichnungen müssen grundsätzlich angepasst werden. Sie können aber auch von einer Änderung der Preisausschilderungen absehen und Ihren Kunden z.B. einen Pauschalrabatt von 3% einräumen.
 
In Ihrer Buchführung müssen neue Konten für 16% und 5% angelegt werden. Wir rechnen mit einer kurzfristigen Anpassung durch die DATEV.
 
Ihre Rechnungstemplates sind anzupassen: Richtiger Steuersatz, richtige Ermittlung des Steuerbetrages, richtiges Leistungsdatum. Das Leistungsdatum muss für die Anwendung des richtigen Steuersatzes richtig ermittelt werden. Hier sind die Mitarbeiter entsprechend zu schulen Grundsätzlich gilt:
 
Lieferung = Auslieferungsdatum
Sonstige Leistung = Abnahme der Leistung (Datum muss im System vermerkt werden)
Sonstige Leistung ohne Abnahme = Vollendung (Dokumentation erforderlich)
 
Rechnungseingangsprüfung
 
Da die Steuersatzänderung ein erhöhtes Risiko für falsche Abrechnungen Ihrer Lieferanten birgt, müssen diese intensiv geprüft werden, da Ihnen sonst Nachteile entstehen.
 
Beispiel 7: Abrechnung mit 19%, anstatt 16%:
Leistender schuldet Umsatzsteuer mit 19%. Der Leistungsempfänger kann nur aus dem Gesamtbetrag 16% Umsatzsteuer geltend machen.
 
Beispiel 8: Abrechnung mit 16% anstatt 19%:
Leistender schuldet die Steuer mit 19% anteilig aus dem Gesamtbetrag. Leistungsempfänger kann nur die in der Rechnung vermindert ausgewiesene Steuer geltend machen (16%). In beiden Fällen ist keine rückwirkende Rechnungskorrektur möglich.

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